Ich laufe auf dem Zehenballen
Einen Zehenballengang mit Verkürzung der Wadenmuskeln findet man bei vielen Nerven- und Muskelerkrankungen, am häufigsten aufgrund einer unbehandelten Schwäche der Fußhebermuskeln nach Schlaganfällen, bei Cerebralparesen, nach Polio und Peronäusparesen.
Prinzipiell ist das Laufen auf den Zehen eine natürliche Fortbewegungsart. Die Vorspannung der Wadenmuskeln und damit deren Kraft sind erhöht, was in bestimmten Situationen des Sports oder bei Muskelschwächen einen Vorteil bieten kann. Auch kann die kleinere Auftrittsfläche bei kaltem und heißem Boden oder zur Vermeidung unerwünschter Lärmentwicklung vorteilhaft sein.
Bei psycho- oder sensomotorischen Haltungsstörungen mit einer Vorverlagerung des Körperschwerpunktes können Kinder mittels ausschließlicher Vorfußbelastung besser und sicherer gehen. Der Zehenballengang ist in diesem Fall zur Kompensation notwendig und darf nicht „behandelt“ werden.
Eine weitere sehr häufige Ursache des Zehenballengangs ist eine Verkürzung der Wadenmuskulatur. Unterscheiden muss man dabei eine funktionell-dynamische oder spastische Verkürzung des Wadenmuskels, die nur bei Gewichtsübernahme, z.B. bei spastischen Bewegungsstörungen auftritt von einer strukturell-anatomisch zu kurzen Wadenmuskellänge, die dauerhaft ist und durch Dehnen nicht behandelt werden kann.
Wichtig ist in diesen Fällen die Entstehungswege dieser Veränderungen zu entdecken, damit eine gute, langfristig wirksame Behandlung eingeleitet werden kann.
Ist eine Fußheberschwäche für die Überaktivität bzw. Verkürzung der Wadenmuskeln verantwortlich, müssen die Fußhebermuskeln gekräftigt oder mit einer Schiene unterstützt werden. Ist dies nicht möglich, kann ein Dehnen der Wadenmuskulatur mittels Orthesen oder eine dosierte operative Verlängerung notwendig sein.
Auch angeborene und durch neuromotorische Erkrankungen erworbene Fußfehlstellungen mit Spitzfußkomponente können zu strukturellen Wadenmuskelverkürzungen mit Zehenballengangbild führen.
Diese funktionell störenden Muskelverkürzungen bei neuromotorischen Erkrankungen oder angeborenen Fehlbildungen müssen nach einer Analyse der Kräfteverhältnisse an allen Gelenken zur Verbesserung des Gangablaufes meist operativ korrigiert werden.
Nur eine exakte Analyse der Verkürzung ermöglicht die richtige Behandlung mit Dehnungsübungen, Geh- oder Lagerungsorthesen, Botulinumtoxin oder die Empfehlung einer Operation.
Zur operativen Verlängerung der verkürzten Wadenmuskeln hat sich die Operation nach Strayer-Thom bewährt. In Vollnarkose wird am Übergang der Achillessehne in den Wadenmuskel die sehnige Einstrahlung v-förmig geritzt, wodurch sich der Muskel durch Dehnung um einige cm verlängern lässt. Am Tag nach der Operation kann (meist ohne Gips) mit Bewegungsübungen und vorsichtigen Steh- und Gehversuchen begonnen werden. Diese sind in den Wochen nach der Operation wichtig, um eine neuerliche Verkürzung zu vermeiden.