Mein Rücken ist krumm
Zahlreiche Nerven- und Muskelerkrankungen, wie schwere Formen der Cerebralparese, Spina bifida, angeborene Neuropathien, Fehlbildungssyndrome und Entwicklungsstörungen sowie Arthrogryposen etc., führen aufgrund einer Teillähmung der Haltemuskeln der Wirbelsäule zu deren Verkrümmung. Es entwickelt sich allmählich eine Rundrückenfehlhaltung (Kyphose) oder dreidimensionale Verkrümmung (Skoliose).
Im Gegensatz zur idiopathischen Skoliose fällt die neuromuskuläre Skoliose bereits früh als muskelschwächebedingte Instabilität mit einer flexiblen, großbogigen Verformung der gesamten Wirbelsäule auf. Allmählich entwickeln sich leichte Rotations-, Torsionsfehlstellungen und eine strukturelle Verformung der Wirbelkörper. Nicht nur während des Wachstums, sondern so lange eine lähmungsbedingte Muskelschwäche besteht, ist mit einer Zunahme der Skoliose zu rechnen. Der langfristige Verlauf ist umso ungünstiger, je jünger das Kind ist und je stärker die Muskelschwäche ausgeprägt ist.
Neben Rückenschmerzen und ästhetischen Problemen führt eine schwere fortschreitende Skoliose zur Lungenfunktionsstörung mit Einschränkung der Sauerstoffversorgung und herabgesetzter Lebenserwartung.
Behandlungsziel ist die dauerhafte Stütze des Rumpfes. Bei sehr leichten Formen ist manchmal noch eine propriozeptiv wirkende Softorthese ausreichend. Im Wachstum sollte bei neurogenen Skoliosen früh mit einer rigiden Korsettversorgung begonnen werden, um eine Zunahme der Skoliose zu vermeiden.
Bei schwer betroffenen Patienten mit kritischen Hautverhältnissen, höherem Alter oder Kontraindikationen für eine Wirbelsäulenoperation sind manchmal auch nur semirigide Korsette angezeigt, da rigide Modelle keine Akzeptanz finden.
Ob eine operative Stabilisierung der Wirbelsäule Vorteile bietet und welche Behandlung letztlich empfohlen wird, hängt von der neuromuskulären Grunderkrankung und der erwarteten Zunahme ab:
- bei fortschreitenden Muskelerkrankungen (Duchenne, spinale Muskelatrophien) ist ab 20° eine operative Stabilisierung indiziert
- bei hypotonen Cerebralparesen kann ab 45° eine operative Stabilisierung hilfreich sein
- bei zusätzlichen WS-Fehlbildungen kann eine operative Stabilisierung notwendig sein
- in allen anderen Fällen bieten Mieder- und Korsettversorgungen unterschiedlicher Herstellungsart meist eine ausreichende Stabilisierung des Rumpfes, um Schmerzen und Atmungsstörungen zu vermeiden. Dieses werden tagsüber beim Sitzen, Stehen und Gehen verwendet und zumindest jährlich kontrolliert.